Viele Menschen wünschen sich die finanzielle Freiheit und träumen von einem Leben im Wohlstand. Nicht mehr arbeiten zu müssen, nicht mehr jeden Morgen vom grässlichen Ton des Weckers aufgeweckt zu werden und nie mehr einen launischen Chef zu haben. Einfach das zu tun, was man möchte und wann man es möchte. Freie Zeiteinteilung, Ortsunabhängigkeit und Selbstbestimmung. So sieht die finanzielle Freiheit aus. In Zeiten des Internets und der modernen Technologien hat sich um das Thema finanzielle Freiheit ein gewisser Hype entwickelt. Überall ist von der 4-Stunden-Woche und passivem Einkommen die Rede. Dabei wird der Fokus oft nur auf die Geld- und Vermögensmaximierung und weniger auf die persönliche Lebensweise gerichtet.
In dieser dreiteiligen Artikelserie zeige ich Dir die verschiedenen Formen der finanziellen Freiheit und was diese für mich persönlich bedeutet. Du erfährst, wie ich die erste Stufe meiner persönlichen finanziellen Freiheit erreicht habe und Du dieses Konzept für Dich umsetzen kannst. Was Du hier nicht finden wirst, sind dubiose Schnell-reich-werden-Tipps und vollmundige Versprechungen vom Geld verdienen ohne etwas tun zu müssen.
Finanzielle Freiheit: Macht Geld glücklich?
Stelle Dir einfach mal hypothetisch vor, Du hättest schon die finanzielle Freiheit erreicht. Nehmen wir an, Du hast eine Summe im Lotto gewonnen oder geerbt, die es Dir erlaubt, nicht mehr für Deinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen.
Du bist nicht steinreich, hast aber eine ordentliche Summe zum Leben.
Der verhasste Job und der launische Chef sind weg. Sie sind nicht mehr Teil Deines Lebens und bestimmen nicht mehr Deinen Arbeitsalltag. Du fliegst auf eine Insel, buchst Dir ein schönes Hotel und legst Dich an den Strand.
Und dann? Was dann …??
Jetzt wo Du endlich keine Geldsorgen und keinen Vorgesetzten mehr hast, müsstest Du super glücklich sein.
Ist das wirklich so?
Du wärst sicherlich erstmal glücklicher im Gegensatz zu der Situation davor.
Andrew Oswald von der University of Warwick schrieb 2006, dass die Selbstmordrate in den Vereinigten Staaten gleich hoch ist wie 1900, obwohl sich das durchschnittliche Einkommen versechsfacht hat.
„In the US, even though real income levels have risen six-fold, the per-capita suicide rate is the same as in the year 1900.“
Andrew Oswald, The Hippies Were Right all Along about Happiness
Mehr Geld – mehr Glück, stimmt das wirklich?
Der eine braucht dies, der andere das
Es ist keine Binsenweisheit, dass der Mensch ein Individuum ist und jeder das Glück, den Erfolg und die finanzielle Freiheit anders definiert und erlebt. In den kommunistischen Systemen wurde über Jahrzehnte versucht, durch die Erfüllung der Grundbedürfnisse durch den Staat, alle Bürger anthropologisch gleichzusetzen. Diese Experimente sind gescheitert, weil man dem Menschen den freien Willen wegnehmen wollte. Selbst wenn es damals so etwas wie die finanzielle Freiheit gegeben hätte, hätte sie – genauso wie im Kapitalismus – jeder anders empfunden.
Zum Thema Individualität schrieb Hegel:
„Der Mensch verhält sich mit seinen Bedürfnissen zur äußerlichen Natur auf praktische Weise und geht dabei, indem er sich durch dieselbe befriedigt und sie aufreibt, vermittelnd zu Werke.“
Wenn Du eher ein fauler Mensch bist und ab morgen nicht mehr arbeiten müsstest, wärst Du sicherlich super glücklich und würdest Deine neue finanzielle Freiheit genießen. Ein anderer der sich durch seine Arbeit als Chef definiert, würde von heute auf morgen den Boden unter den Füßen verlieren. Er würde sich zu Tode langweilen, sich nicht weiter entwickeln und am Ende gar depressiv werden. Für ihn würde die finanzielle Freiheit ohne Arbeit rein gar nichts bedeuten. Er würde die Macht und den Glanz seiner beruflichen Position verlieren. Ein dritter der eine starke soziale Bindung zu seinen Kollegen und seinen Freundeskreis ausschließlich am Arbeitsplatz hatte, würde sehr schnell vereinsamen.
Alle drei Personen aus den genannten Beispielen wären durch die neugewonnene finanzielle Freiheit plötzlich mit einem Nichtstun konfrontiert. Sie müssten sich eine Ersatztätigkeit – sei es eine sportliche Aktivität oder ein Hobby – suchen. Jeder Dauerarbeitslose weiß, wie negativ sich ein Nichtstun auf Dauer auf die persönliche Verfassung auswirken kann.
Was bedeutet finanzielle Freiheit für mich?
Wenn ich zehn Jahre zurückblicke, war ich im Jahr 2008 finanziell und beruflich überhaupt nicht frei. Meine Fixkosten betrugen 85 Prozent und die Sparquote weniger als fünf Prozent des Nettoverdienstes. Aus heutiger Sicht eine katastrophale finanzielle Situation. Für jemanden, der im fünfstelligen Bereich verschuldet ist und nichts sparen kann, sind das sicherlich Traumwerte. Hier sehen wir auch wieder, dass die finanzielle Freiheit äußerst subjektiv ist. Aufgrund meiner hohen Lebenshaltungskosten und Kreditverbindlichkeiten, war ich gezwungen viel zu arbeiten, um ebendiese zu decken. Ich habe monatlich über 240 Stunden im Schichtdienst gearbeitet.
Trotzdem gelang es mir über viele Jahre nicht, Vermögen aufzubauen und in die persönliche und berufliche Entwicklung zu investieren (z. B. Weiterbildung, Selbständigkeit). Nur mit viel Mühe und teils durch Schulden, schaffte ich es, 5000 Euro zu sparen und den LKW-Führerschein zu machen. Trotz eines guten Verdienstes, schuftete ich von Monat zu Monat im Hamsterrad.
Meine hohen Ausgaben bedeuteten für mich eine selbstgewählte finanzielle Versklavung.
Mein Job, den ich im Grunde mochte, bereitete mir über die Jahre keinen Spaß mehr, weil ich kaum noch Freizeit und Lebensqualität hatte.
Die finanzielle Freiheit bedeutete für mich, meine Ausgaben unter Kontrolle zu bringen, um weniger zu arbeiten und in meine persönliche und berufliche Entwicklung zu investieren.
Natürlich wollte ich aus dem ungesunden Schichtdienst raus, eine Arbeit tun, die mir wirklich Spaß macht und mein eigener Chef sein. Das war meine Idealvorstellung von Freiheit, die ich über Jahre verfolgte. Viel Geld war mir nicht wichtig, aber selbstbestimmt zu leben und zu arbeiten. Wie man sieht, bin ich persönlich im Vergleich zu vielen anderen Menschen, die finanziellen Reichtum anstreben, recht bescheiden.
Der Versuch, die finanzielle Freiheit allgemein zu definieren
Eine allgemeine Definition der finanziellen Freiheit nach Lehrbuch gibt es nicht.
André Kostolany, US-amerikanischer Börsen- und Finanzexperte sagte:
„Nicht reich muss man sein, sondern unabhängig.“
Abgeleitet von der finanziellen und beruflichen Unabhängigkeit, lässt sich die finanzielle Freiheit folgendermaßen definieren:
Die finanzielle Freiheit ist dann erreicht, wenn alle Ausgaben durch Kapitaleinkünfte gedeckt werden können.
Mit anderen Worten, wenn das Geld für Dich arbeitet und Du nicht mehr arbeiten musst, um Deine Lebenshaltungskosten zu decken, dann bist Du finanziell frei.
Man könnte diese These auch auf den Kopf stellen und sagen:
Die finanzielle Freiheit habe ich erreicht, wenn ich meine Ausgaben dermaßen reduziert habe, dass ich nur noch sehr wenig arbeiten muss.
Auch so lässt sich die finanzielle Freiheit definieren. In der zweiten These finden sich sehr viele Minimalisten und Aussteiger wieder, die bewusst auf den Konsum verzichten und restriktiv mit materiellen Gütern umgehen. Bisher haben wir uns ausführlich der Frage gewidmet, was die finanzielle Freiheit ist. Im nächsten Absatz ist es an der Zeit zu erläutern, wie diese erreicht werden kann.
Wie erreiche ich die finanzielle Freiheit?
Die Grundvoraussetzung um eines Tages finanziell frei zu sein, ist es, Vermögen bzw. Kapital aufzubauen.
Ohne Vermögensaufbau gibt es keine finanzielle Freiheit. Umgangssprachlich würde man dazu sagen, „von nix kommt nix.“
Das Vermögen kannst Du theoretisch auch erwerben, z. B. durch eine Erbschaft oder einen Lottogewinn, doch von diesem Szenario gehen wir nicht aus.
Wir fokussieren uns auf den Vermögensaufbau aus eigener Kraft.
Es gibt zwei Möglichkeiten zum Vermögensaufbau:
- Du senkst Deine Ausgaben
- Du erhöhst Deine Einkünfte.
Der beste Weg wäre, beides zu kombinieren. Hier stellt sich der von Schulden und Konsumschulden geplagte Arbeitnehmer die Frage: „Wie soll ich denn bloß meine Ausgaben senken, bei der hohen Miete und den Kreditlasten?“
Ganz einfach:
Schränke Deinen Konsum radikal ein. Schaffe Dir Übersicht über Deine Finanzen. Führe ein Haushaltsbuch. Lebe unter Deinen Verhältnissen.
Das hört sich nach Askese an, ist es aber nicht. Du musst nicht hungern oder auf die Freuden des Lebens verzichten. Du lebst nur einfach und verzichtest auf den unnötigen Konsum.
Was denkst Du, wie haben reiche Menschen ihre finanzielle Freiheit erreicht?
Nicht etwa dadurch, dass sie über ihre Verhältnisse gelebt haben. Das Gegenteil ist der Fall. Sie leben unter ihren Verhältnissen. Erst wenn sie die finanzielle Freiheit erreichen und ihr Geld für sie arbeitet, gönnen sie sich Luxusgüter. Viele Menschen konsumieren übermäßig, obwohl sie das Geld dafür nicht haben. Sie kaufen sich Häuser, Autos, Smartphones, Computer, Kleidung, leisten sich teure Urlaube und nehmen dafür Schulden auf. Die Menschen, die über ihre Verhältnisse leben – ganz egal wie gut sie verdienen – werden niemals Vermögen aufbauen und die finanzielle Freiheit erreichen. Im zweiten Teil dieser Artikelserie zeige ich Dir detailliert, wie Du Vermögen aufbaust.
Tue das was Dir gefällt
Zum Schluss möchte ich noch auf das Thema Arbeit eingehen. Durch die zahlreichen Angebote von „Schnell-reich-werden-Methoden“ und „Nie-wieder-arbeiten-Kursen“, entsteht der Eindruck, dass Arbeit etwas Schlechtes und moralisch verwerfliches wäre. In den schwierigsten Zeiten meiner Karriere, als ich sechs Tage in der Woche in 12-Stunden-Schichten und teilweise über 270 Stunden im Monat malochte, habe ich niemals die Arbeit als etwas Schlechtes betrachtet.
Ich habe immer verantwortungslose Arbeitgeber und ausbeuterische Arbeitsbedingungen kritisiert.
Finanzielle Freiheit bedeutet nicht, dass Du nicht mehr arbeiten und Deine persönliche und berufliche Entwicklung zum Stillstand bringen solltest. Du solltest Dich aber selbstverständlich von ausbeuterischer Arbeit und dem Hamsterrad Deines Arbeitgebers befreien. Warum arbeiten Musiker und Schauspieler noch bis ins hohe Alter? Sylvester Stallone schreibt im Alter von 71 Jahren immer noch Drehbücher und arbeitet im Film-Business. Er hat seine finanzielle Freiheit schon vor Jahrzehnten erreicht und könnte den ganzen Tag am Strand liegen.
Warum arbeitet er also immer noch? Weil seine Arbeit seine Leidenschaft ist und ein Leben ohne die Leidenschaft ein leeres Leben wäre. Um zu wachsen und Dich weiter zu entwickeln, brauchst Du Ziele, Aufgaben und Herausforderungen im Leben. Unterschätze nicht die Ziellosigkeit im Leben. Sie kann Dir auch dann Depressionen bereiten, wenn Du finanziell frei bist. Die vielen Lottomillionäre die ihr ganzes Geld verprasst und danach noch ärmer und verschuldeter waren, sind der beste Beweis, dass die finanzielle Freiheit kein Ersatz für Intelligenz und Verantwortung ist.
Sei intelligent und verantwortungsbewusst.
Teil II: Warum die Sparquote so wichtig ist und wie Du die Ausgaben senkst
- Bürokratie sorgt für Abwanderung von Familienunternehmen - 25. Oktober 2024
- Süddeutsche Zeitung: Schließung von Lokalredaktionen - 24. Oktober 2024
- Quartalszahlen: Tesla-Aktie rasant gestiegen - 23. Oktober 2024
Ein toller Artikel mit sehr guten Erklärungen. Vielleicht bringt das den ein oder anderen einmal zum Nachdenken.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem interessanten Beitrag ! 🙂
Ich finde ihn insbesondere durch Deine eigenen Erfahrungen sehr anschaulich. Ich sehe es auch so, dass man sich langfristig aus einer Situation der Zwänge hin zu einem Zustand der (zumindest teilweisen) Unabhängigkeit entwickeln sollte. Nichtsdestotrotz – und das hast Du sehr gut beschrieben – braucht man eine Aufgabe, die man für sinnvoll erachtet und die einen ausfüllt. Aber im Vergleich zum Fulltime-Job tut es dann eben auch die Light-Version… 🙂
Viele Grüße
Christian