Im Jahr 2009 war ich bei einem Sicherheitsunternehmen beschäftigt. Unser Kunde war ein international operierender Konzern. Am Empfang an dem ich war, frequentierten täglich mehrere Hundert Kunden. Ich musste meine Sprachkenntnisse auf Vordermann bringen und Englisch lernen. Tatsächlich jedoch, verlangte und bezahlte der Kunde gerade an dem Empfang keine englischsprachige Kraft. Tag für Tag quälte ich mich mit meinen mäßigen Englischkenntnissen. Ich notierte mir die wichtigsten Vokabeln, Redewendungen und schrieb selbst erstellte Dialoge. Doch in der Praxis kam es immer anders. Dazu kamen die unterschiedlichen Dialekte. Das Amerikanische klingt ganz anders als das Britische. Und die Australier klingen wieder ganz anders. Spricht dann der Gegenüber schnell, steht man wortwörtlich auf verlorenem Posten.
So konnte es nicht weiter gehen, dachte ich mir. Sehr bald beschloss ich, mir solide Kenntnisse der englischen Sprache anzueignen. Doch, wie anfangen? Selbststudium? Sprachkurs? Sprachreisen? Erschwerend hinzu kam, dass ich damals aus privaten Gründen Norwegisch gelernt habe.
Und Norwegisch ist auch nicht mit Englisch zu vergleichen. So war es nahezu unmöglich neben dem Beruf und Norwegisch auch noch intensiv Englisch zu lernen. Mein Vorhaben musste leider warten.
Englisch lernen: Jeder Anfang ist schwer
Doch Ende 2011 war es dann soweit. Ich hatte die zeitlichen Kapazitäten und nahm das Projekt Englisch lernen in Angriff. Wie für so viele, stellte sich auch für mich die Frage:
Im Internet recherchierte ich nach Sprachkursangeboten. Sowohl online als auch in einer Schule vor Ort. Einige Anbieter von Englischkursen vor Ort hatten eine eindrucksvolle Reputation und ein wirklich gutes Angebot an Kursen.
Was dagegen weniger gut war und mich regelrecht erschrocken hatte, waren die Preise. Für einen 14-tägigen Advanced Kurs mit Zertifikat musste man gut 2500 Euro investieren. Unter einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis verstehe ich was anderes.
Die Onlineangebote allesamt waren günstiger, doch auch hier summierten sich die Gebühren auf mehrere Hundert Euro. Da beschloss ich, Englisch auf eigene Faust zu lernen. Zugegeben, ich wollte mir selbst beweisen, dass es möglich ist, im Selbststudium eine Fremdsprache zu erlernen.
Doch so richtig wusste ich nicht wie und wo ich anfangen sollte. Sollte ich zuerst Vokabeln lernen? Wie viele Vokabeln sollte ich täglich wiederholen? Soll ich eine englische Zeitung lesen? Soll ich erstmal nur Hörbücher probe hören um die Phonik zu trainieren?
Wenn man einen kostenpflichtigen Kurs besucht, steht man vor solchen Fragen nicht. Da wird einem der Weg vorgegeben. Doch ich wollte meinen eigenen Weg gehen. Ich stöberte meine Bücher durch und fand einen Kompaktsprachkurs von Langenscheidt – „Englisch in 30 Tagen.“
Das Buch habe ich 2001 gekauft und nie benutzt. Es lag rund zehn Jahre zwischen den anderen Büchern. Auf 288 Seiten und 30 Kapiteln mit Übungen, sollte man in kürzester Zeit fit in Englisch sein.
Ich begann mein Englisch Selbststudium.
„A Christmas Carol“ in der Nachtschicht
Nach etwa einem Monat habe ich den Kompaktsprachkurs durchgearbeitet. Jede Lektion spiegelte eine typische Alltagssituation von drei Austauschstudenten in Großbritannien wieder. Neben dem englischen Text folgte die deutsche Übersetzung mit anschließenden Übungen.
Nach dem Monat habe ich mir ein paar solide Grundlagen angeeignet. Einige interessante Redewendungen habe ich bis heute nicht vergessen. Eine davon ist:
„She went to spend a penny.“
Wörtlich übersetzt bedeutet die Redewendung: Sie ist einen Penny ausgeben gegangen. Sinngemäß bedeutet es, dass eine Frau auf die Toilette gegangen ist. Warum dann einen Penny ausgeben? Weil Frauen früher in Großbritannien für die Toiletten bezahlen mussten – mit einem Penny.
„This refers to the (former) use of coin operated locks on public toilets. It was used mostly in the UK and mostly by women (men’s urinals were free of charge).“
Doch so nützlich der Kompaktsprachkurs auch war, Englisch besser sprechen und verstehen konnte ich nicht. Da holte ich mir ein Hörbuch auf Englisch – A Christmas Carol in Prose (Ein Weihnachtslied in Prosa, oder Eine Geistergeschichte zum Christfest) von Charles Dickens.
Fortan hörte ich regelmäßig die Weihnachtsgeschichte Kapitel für Kapitel in den Nachtschichten. Die Erzählungen vom alten, grantigen Geizhals Ebenezer Scrooge der in einer Nacht Besuch von seinem verstorbenen Teilhaber Jacob Marley und den drei Geistern bekommt – faszinierten mich.
Die Geschichte hörte ich mir mehrmals an. Ich gewöhnte mich an die Phonik und konnte jedes mal mehr verstehen, obwohl zur englischen Erzählung keine Bilder vorhanden waren. Aber intuitiv verstand ich immer mehr.
Das gab mir neuen Elan und ich plante schon die nächste Lernstufe.
Spielerisch Englisch lernen
Von da an richtete ich mir meine Lernumgebung optimal ein. Zuhause schaute ich nur BBC und CNN. Ich las englischsprachige Nachrichtenseiten und schrieb Texte ab um mir die Grammatik besser zu merken.
Doch den größten Effekt beim Englisch lernen erzielte ich durch Filme und Serien. Alle meine Lieblingsfilme und Serien schaute ich mir in der Originalfassung an. Ohne Synchronisationsstimme klangen die Filme für mich wesentlich authentischer und besser.
Ich probierte verschiedenste Varianten beim Filme gucken. Mal mit den deutschen Untertiteln als Übersetzung, mal mit englischen Untertiteln zum Originalton Englisch. Das zweite festigte nochmals die visuelle Wahrnehmung der Dialoge.
Und wie einst bei der Weihnachtsgeschichte, verstand ich immer mehr und mehr durch Filme schauen. Ich lernte spielerisch, denn die Handlungen lösen Emotionen aus und das fördert den Lerneffekt. Jeder Sprachforscher weiß die unglaubliche Wirkung dieser Lernmethode zu schätzen.
Nach einiger Zeit konnte ich die verschiedenen Dialekte der Schauspieler sehr genau unterscheiden. Zuvor war Englisch für mich ein Einheitsbrei. Jetzt wusste ich genau, welche Darsteller Briten, Amerikaner oder Australier sind.
Und ganz ehrlich, die Originalstimmen der Schauspieler klingen um einiges cooler als die deutschen Synchronstimmen.
Vokabeln lernen
Doch neben den multimedialen Inhalten, lernte ich auch fleißig Vokabeln. In der Anfangszeit lernte ich zehn Vokabeln am Tag. Nach einigen Wochen reduzierte ich die Zahl auf fünf. Nach dem Erreichen eines Grundwortschatzes von etwa 4000 Wörtern, lernte ich die Vokabeln nur noch sporadisch.
Denn durch regelmäßiges lesen wiederholen sich die Vokabeln und man erneuert das Gelernte und lernt neue Vokabeln dazu. Ich lese heute noch mindestens einen englischsprachigen Artikel pro Tag. Sei es eine Nachricht oder ein Blogartikel. Das Lesen ist für mich ein Muss.
Nach einigen Jahren begann ich englischsprachige Bücher zu lesen. Zugegeben, am Anfang war es ein wenig schwer zu lesen. Nachrichtentexte sind eher kurz, doch ein ganzes Buch auf Englisch zu lesen, das war nochmal eine ganz andere Liga.
Das erste Buch welches ich las, war A Storm of Swords (Ein Sturm der Schwerter) von George R. R. Martin und hatte satte 1173 Seiten. Daran hatte ich einige Zeit zu kauen. Doch auch hier arbeitet man sich hinein und wird immer besser.
- George R. R. Martin (Autor)
Hin und wieder, auch heute noch, muss ich das eine oder andere Wort übersetzen. Wenn ich ein Wort sehe, welches ich nicht verstehe, mache ich mir eine Notiz mit der Übersetzung in mein Smartphone. Dann lese ich es ein paar mal durch, bis es im Langzeitgedächtnis gespeichert ist.
„Your English is excellent“
Woher bekommt man die besten Bewertungen für seine Fremdsprachenkenntnisse?
Von Muttersprachlern natürlich. Nach einigen Monaten unterhielt ich mich mit einigen Kunden aus den Vereinigten Staaten. Ich erzählte davon, wie ich mir mein Englisch beibrachte. Dabei fragte ich um eine ehrliche Einschätzung zu meinem Kenntnisstand.
Die Antworten waren für mich sehr überraschend:
„Sir, your English is excellent.“
Sicherlich, es handelt sich dabei um die Umgangssprache. Nur weil man umgangssprachlich fit ist, muss es noch lange nicht heißen, dass man die Grammatik und die Schriftsprache beherrscht. Doch hier geht es um gute Sprachkenntnisse um im Beruf weiter zu kommen.
Dafür ist kein Anglistikstudium erforderlich.
Fazit
Englisch lernen: Sprachkurs oder Selbststudium? Meine Empfehlung: Selbststudium. Es kann mehrere Tausend Euro sparen und bietet mehr persönliche Gestaltungsmöglichkeiten. Der Lerner ist nicht orts- und zeitgebunden und bestimmt das Lerntempo selbst.
Durch das Internet, insbesondere YouTube, hat man eine unerschöpfliche Wissensquelle. Unzählige Blogs, kostenlose Online-Kurse und YouTube Kanäle bieten Bildung zum Selbstkostenpreis. Alles was man benötigt ist ein Computer, Notebook, Tablet oder Smartphone und ein Internetanschluss.
Es spricht jedoch nichts dagegen, mit einem Kompaktsprachkurs anzufangen. Diese sind bereits ab 20 Euro im Handel erhältlich und bieten einen optimalen Einstieg. So fängt man nicht vollkommen orientierungslos an.
Es gibt eine einzige Ausnahme, die gegen ein Selbststudium und für einen Kurs spricht. Nämlich, wenn im Beruf oder für eine bestimmte Position ein entsprechendes Zertifikat erforderlich ist. Dann ist ein kostenpflichtiger Kurs eindeutig die erste Wahl.
Am Ende möchte ich noch sagen, dass das Erlernen einer Sprache nicht ein Projekt von ein paar Monaten ist. Es ist eine Lebensaufgabe. Eine Sprache möchte gepflegt werden. Seit 2011 sind mittlerweile sechs Jahre vergangen, doch Englisch lernen macht mir immer noch Spaß und ich lerne immer noch jeden Tag etwas dazu.
Ich lese jeden Tag englische Texte und schaue Nachrichten. Ich lebe mit der Sprache. It’s a lifetime task.
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