Sollte man krank zur Arbeit gehen?

Meistens beginnt es mit einem harmlosen Kratzen im Hals. Zunächst denkt man sich nichts dabei. Dann steigt das Fieber und man bekommt Kopfschmerzen. „Das wird schon wieder vergehen, ist nur eine leichte Erkältung“, denkt man sich und legt sich ins Bett. Doch als man dann am nächsten Tag mit hohem Fieber und Gliederschmerzen aufwacht, hat man den Salat – man hat sich eine Grippe eingefangen. Man fühlt sich fürchterlich und möchte gar nicht mehr aus dem Bett kommen. Doch am nächsten Tag müsste man eigentlich wieder in die Arbeit und plötzlich steht man vor einem Dilemma? Sollte man sich auskurieren oder krank zur Arbeit gehen?

Krank zur Arbeit

Vielleicht ist man noch in der Probezeit und möchte ja nicht durch Krankheit negativ auffallen. Oder aber, man ist so selten krank, dass man auch dann äußerst auffallend wäre, wenn man krankheitsbedingt ausfallen würde. Möglicherweise ist man auch ein Perfektionist und will sich diese vermeintliche „Schwäche“ nicht leisten. Man hat sehr hohe Anforderungen an sich selbst: „Ich ziehe es durch, egal was kommt.“ Vielleicht hat man auch finanzielle Schwierigkeiten und Angst, seinen Job zu gefährden. Oder aber, man ist dem Arbeitgeber dermaßen treu, dass man seine eigene Gesundheit zweitrangig behandelt. Man schluckt eine Tablette und geht krank zur Arbeit.

Drei von vier Arbeitnehmern gehen krank zur Arbeit

Der Trend am deutschen Arbeitsmarkt geht dazu, dass drei von vier Arbeitnehmern krank zur Arbeit gehen. Jeder schleppt sich krank zur Arbeit aus einem anderen Motiv, doch kaum jemand wird vom Chef wieder nach Hause geschickt.

In vielen Betrieben herrscht ein regelrechter Leistungsdruck, so dass kaum ein Vorgesetzter einen Arbeitnehmer freiwillig nach Hause schickt. Lieber hat man jemanden da, der zwar nur vermindert leistungsfähig ist, aber immerhin präsent.

Obendrauf sind viele Vorgesetzte selbst dem Druck von oben ausgesetzt und haben selbst Angst vor krankheitsbedingten Ausfällen in ihren Abteilungen und Bereichen. Das passt nicht in die Statistik und lässt die eigene Abteilung schlechter dastehen.

Noch ein wesentlicher Grund dafür, dass viele krank zur Arbeit gehen ist, dass das Kranksein in unserer Arbeitswelt regelrecht verpönt ist. Da wird von Krankmachern, Blaumachern und Simulanten gesprochen und somit die Mitarbeiter unter Druck gesetzt.

Damit hier keine Missverständnisse entstehen. Ich bin selbst lange genug im Arbeitsleben und weiß, dass es genug Blaumacher gibt. Leute die sich sehr häufig kurzfristig krank melden, insbesondere an Montagen und Brückentagen.

Doch dies ist nicht die Regel. In Unternehmen mit einem guten Betriebsklima machen die Leute nicht einfach so blau.

Kurzfristige Interessen vs. langfristige Interessen

Bei der Abwägung, ob man krank zur Arbeit gehen sollte oder nicht, spielen kurzfristige und langfristige Interessen eine wesentliche Rolle.

Geht man krank zur Arbeit, so hat man kurzfristig einen Personalengpass vermieden. Insbesondere wenn die Personaldecke ohnehin dünn ist, hat man dadurch den Interessen des Arbeitgebers kurzfristig gedient.

Langfristig jedoch – und das kann sehr schnell sein, sogar in einigen Wochen – schadet man sich selbst und dem Arbeitgeber. Denn, wenn man die Krankheit nicht richtig auskuriert, kann diese sehr schnell zurückkehren.

Persönlich habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass eine nicht auskurierte Grippe zurückkommt. In den letzten Jahren bin ich immer wieder krank zur Arbeit gegangen und habe mich mit Grippe und Fieber gequält.

Das Ergebnis dessen war immer, dass ich nach zwei Wochen erneut krankheitsbedingt ausgefallen bin. Ergo, geht man krank zur Arbeit, dient man kurzfristigen Interessen. Langfristig jedoch, verursacht man umso mehr Schaden.

Krank zur Arbeit und die ganze Abteilung angesteckt

Auch wenn ein Arbeitnehmer das Verlangen danach hat, den wohlwollenden Samariter zu spielen, kann das gründlich nach hinten losgehen. Geht man mit einer hochansteckenden Viruserkrankung in die Arbeit, riskiert man, dass sich die Kolleginnen und Kollegen gleich mitanstecken.

Krank zur Arbeit

Ein solcher Ausfall kann bei einer ohnehin dünnen Personaldecke verheerende Folgen haben. Im Fall der Grippe riskiert man außerdem noch schlimmere Folgen für seine Gesundheit, wie eine Lungenentzündung oder die Entzündung des Herzmuskels.

Daher sollte man sich fragen, ob die Angst um den Erhalt des Arbeitsplatzes mit einer gravierenden Gesundheitsgefährdung gerechtfertigt werden kann. Denn, eine Arbeit kann man zwar verlieren und in die Arbeitslosigkeit abrutschen.

Doch man kann wieder eine neue Arbeit finden. Ruiniert man einmal seine Gesundheit, ist man für das ganze Leben gekennzeichnet und hat mit den Folgen zu kämpfen. Zumal auch die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Woche krankheitsbedingtem Ausfall, total übertrieben ist.

Auch eine blinde Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist kein Argument, krank zur Arbeit zu gehen und seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

Fazit

Sollte man also krank zur Arbeit gehen oder nicht? Die Antwort ist definitiv – nein. Keine Arbeitsstelle und kein Arbeitgeber der Welt ist es wert, dass man seine Gesundheit aufs Spiel setzt. Man kann zwar mal krank zur Arbeit gehen.

Solange es nur ein leichter Schnupfen oder leichte Kopfschmerzen sind, spricht nichts dagegen. Auch ein verstauchter Fuß ist kein Hindernis bei einem Bürojob. Kommen jedoch Ansteckungskrankheiten ins Spiel, heißt es – zuhause bleiben.

Abgesehen von der eigenen Gesundheitsgefährdung, wird man andere Kollegen anstecken und einen noch größeren Personalausfall verursachen. Daher sollte man sich selbst und seinen Kollegen etwas Gutes tun und nicht krank zur Arbeit gehen.

Sladjan Lazic