Personalmangel im Wachgewerbe: Ein düsteres Bild

Zahlreichen Unternehmen in Deutschland fehlt qualifiziertes Personal und es wird überall händeringend gesucht. Ob Handwerksberufe, Gastronomie, Gesundheitswesen, Logistikbranche oder das Bewachungsgewerbe – überall fehlt es an qualifiziertem Personal. Manche Unternehmen sind mit der Suche erfolgreich und schaffen es, den Personalmangel abzumildern, in dem sie auf digitale Sichtbarkeit setzen. Viele andere Unternehmen, und dazu gehören die meisten Firmen aus der Sicherheitsbranche, setzen auf längst überholte Konzepte und haben den digitalen Wandel komplett verschlafen. Hier schlägt der Personalmangel im Wachgewerbe gleich doppelt zu. Zum einen können die neu geschaffenen Stellen nicht besetzt werden und zum anderen steigt die Belastung durch zu viele und unregelmäßige Schichten dermaßen, sodass immer mehr Mitarbeitende nicht mehr können und kündigen. Ein Teufelskreis entsteht und eine Lösung ist nicht in Sicht. In meinem vorletzten Blogbeitrag habe ich über die Verdienstmöglichkeiten im Wachgewerbe geschrieben. Heute möchte ich das Thema Personalmangel im Wachgewerbe näher beleuchten und Vergleiche aus meiner Erfahrung vor 20 Jahren zu heute ziehen.

Personalmangel im Wachgewerbe: Im Jahr 2004 undenkbar

Vor genau 20 Jahren, im Jahr 2004, war ich auf einem Großobjekt aus der Wirtschaft für ein privates Sicherheitsunternehmen im Objektschutz tätig. Damals war ich noch keine Fachkraft für Schutz und Sicherheit und hatte die Qualifikation Werkschutz-Lehrgang II. Der Arbeitsmarkt in Deutschland im Jahr 2004 ist nicht mit dem Arbeitsmarkt im Jahr 2024 zu vergleichen. Nicht nur unser Arbeitsmarkt, sondern im Grunde unsere ganze Gesellschaft haben sich verändert. Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf dem Arbeitsmarkt waren damals nicht die gleichen wie heute. So hat die Zahl der Menschen im Erwerbsalter in den letzten 20 Jahren in Deutschland abgenommen. Laut Statista (Statista Research Department, 2024) lag die Arbeitslosigkeit im Zuge der High-Tech-Krise 2002/2003 im Jahr 2005 bei 11,7 Prozent. Im Jahr 2024 liegt die Arbeitslosigkeit bei 6,1 Prozent.

Anhand der vorliegenden Parameter und meiner persönlichen Erfahrung wage ich einen nüchternen Blick zurück und ziehe einige Vergleiche. Da ich damals viel im Empfangsdienst tätig war, hatte ich viel mit Bewerbern zu tun und bekam mit, wer eingestellt wurde. Ich war am Empfang der erste Anlaufpunkt für Bewerber. Nach den Vorstellungsgesprächen hatte ich die Gelegenheit, mich mit jedem Bewerber zu unterhalten und gewann dadurch wichtige Informationen, über die ich heute, 20 Jahre später, schreiben kann. Im Jahr 2004 hatte ein Personaler im Wachgewerbe ein dutzend Bewerbungen für eine Stelle auf dem Tisch liegen. Davon konnte er sich die besten Kandidaten aussuchen und am Ende den Wunschkandidaten einstellen. Trotz dessen, dass zwischenzeitlich der eine oder andere Kandidat abgesprungen oder gar nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen war. Unter den Bewerbern war eine ausgeglichene Anzahl an Werkschutzfachkräften und den Kandidaten ohne den Fachabschluss. Der Personalmangel im Wachgewerbe war damals kein Thema.

Somit hatte ein Unternehmen so gut wie keine Probleme, alle Positionen zu besetzen. Es gab auch damals durchaus Absagen und Bewerber, die nicht zum Vorstellungsgespräch erschienen sind. Mein damaliger Arbeitgeber hatte sich jeden Bewerber genau angeschaut und ließ ihn einen mehrstufigen Bewerbungsprozess durchlaufen. Erst wenn der Kunde und der Arbeitgeber vom Bewerber überzeugt waren, wurde dieser eingestellt. Gab es im Jahr 2004 genügend Werkschutzfachkräfte, ist es heute eine Herausforderung, Fachkräfte für Schutz und Sicherheit (FSS) und Geprüfte Schutz- und Sicherheitskräfte (GSSK) zu rekrutieren. Nicht selten bieten Sicherheitsunternehmen Prämien für geworbene Mitarbeiter. Vor 20 Jahren waren solche Prämien eher eine Ausnahme.

Personalmangel im Wachgewerbe: Allgemeines über den Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel ist zu einer der dringendsten Herausforderungen auf dem heutigen Arbeitsmarkt geworden. Unternehmen weltweit sehen sich mit Schwierigkeiten konfrontiert, hochqualifizierte Fachkräfte zu finden, um ihre Arbeitsplätze zu besetzen und ihr Wachstum voranzutreiben. Diese Situation hat weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft und erfordert eine gezielte Herangehensweise, um sie zu bewältigen.

Statistiken zeigen ein deutliches Bild der aktuellen Lage:

Globale Trends: Laut dem Global Talent Competitiveness Index 2022 (The Global Talent Competitiveness Index, 2022) des Weltwirtschaftsforums leiden 73 Prozent der Unternehmen weltweit unter einem Mangel an Fachkräften. Dies verdeutlicht das Ausmaß der Herausforderung, mit der Unternehmen in verschiedenen Regionen konfrontiert sind.

Branchenspezifische Daten: Insbesondere in technologie- und wissensintensiven Branchen wie Informationstechnologie, Ingenieurwesen und Gesundheitswesen ist der Fachkräftemangel besonders ausgeprägt. Laut einer Studie von Deloitte haben 56 Prozent der Technologieunternehmen Schwierigkeiten, offene Stellen zu besetzen, während in der Gesundheitsbranche 59 Prozent der Unternehmen unter einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften leiden.

Demografische Herausforderungen: Der demografische Wandel trägt ebenfalls zum Fachkräftemangel bei. In vielen entwickelten Ländern altert die Bevölkerung, während die Zahl der jungen Arbeitskräfte zurückgeht. Laut Eurostat wird der Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre) an der Gesamtbevölkerung in der EU bis 2050 voraussichtlich von 66 Prozent auf 56 Prozent sinken, was die Verfügbarkeit von Fachkräften weiter einschränken wird.

Ausbildung und Qualifikationen: Eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Arbeitsplätze und den verfügbaren Qualifikationen der Arbeitsuchenden verschärft den Fachkräftemangel. Laut einer Umfrage der ManpowerGroup gaben 69 Prozent der Arbeitgeber an, dass sie Schwierigkeiten haben, geeignete Kandidaten mit den erforderlichen Fähigkeiten zu finden.

Die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind vielfältig und betreffen sowohl Unternehmen als auch die Gesellschaft insgesamt. Unternehmen können Schwierigkeiten haben, ihre Wachstumsziele zu erreichen, Projekte rechtzeitig abzuschließen und innovative Ideen umzusetzen. Dies kann zu Umsatzeinbußen und Wettbewerbsnachteilen führen. Auf gesellschaftlicher Ebene kann der Fachkräftemangel zu einer Unterversorgung wichtiger Dienstleistungen führen, wie im Gesundheitswesen und im Bildungsbereich, was die Lebensqualität vieler Menschen beeinträchtigt.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind gezielte Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören Investitionen in Aus- und Weiterbildung, die Förderung von Flexibilität und Mobilität auf dem Arbeitsmarkt sowie die Schaffung attraktiver Arbeitsbedingungen, um Fachkräfte anzulocken und zu halten. Auch dem Personalmangel im Wachgewerbe könnte so entgegengewirkt werden.

Attraktive Arbeitsbedingungen: Fehlanzeige

Die Sicherheitsbranche galt lange Zeit als Niedriglohnbranche und in Teilen herrschen immer noch prekäre Arbeitsbedingungen. Die tarifliche Entlohnung ist in den letzten Jahren gestiegen und das Qualifikations-Niveau wurde durch die Sachkundeprüfung in den letzten zwei Jahrzehnten angehoben. Insgesamt hat sich die Branche viel Mühe gegeben, sich einen neuen Anstrich zu verpassen. Doch, die alten Probleme sind geblieben. Das Wachgewerbe war und ist in großen Teilen eine Branche der Quereinsteiger. Das typische Klischee ist, dass man in das Wachgewerbe geht, wenn man nichts anderes gelernt hat oder seinen Beruf krankheitsbedingt nicht mehr ausüben kann. „Ich kann nicht mehr auf dem Bau arbeiten, also bekam ich eine Umschulung von der Agentur für Arbeit und bin jetzt Pförtner“, diesen Satz habe ich in den vielen Jahren ein Dutzend Mal gehört.

Das Quereinsteiger-Image trägt zu einer Abwertung der Sicherheitsbranche und der Sicherheitstätigkeit bei. Ein Kollege von mir hat es im Jahr 2002 deutlich spitzer formuliert: „Bei uns landen nur gescheiterte Existenzen.“ Soweit würde ich zwar nicht gehen, aber zumindest in Teilen ist man von dieser Aussage nicht weit entfernt. Wenn auch jeder Mensch seine plausiblen Gründe hat, warum er ins Wachgewerbe kommt und nicht immer die Schuld bei einem selbst ist. Hier sollte man nicht allzu schnell Vorurteile hegen. Die Sicherheitsbranche im Gesamten hat es über die Jahre verschlafen, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, um Fachkräfte anzulocken und junge Menschen für den Beruf der Fachkraft für Schutz und Sicherheit zu motivieren. Wenn ich durch die Stellenanzeigen auf Instagram scrolle, sehe ich, wie viel Mühe sich die Arbeitgeber in anderen Branchen machen, um neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen.

Der Obstkorb ist dabei schon lange selbstverständlich. Es wird bewusst die Work-Life-Balance angeboten, pünktlicher Feierabend, flache Hierarchien, Firmenhandy, Kantinenzuschuss, kostenlose Mitgliedschaft im Fitnessstudio, kostenlose Krankenzusatzversicherung und vieles mehr. Nur um mal bei dem Punkt Fitnessstudio zu bleiben. Im Mai 2023 habe ich mit einem Kollegen meinen damaligen Arbeitgeber angeschrieben und um die Möglichkeiten einer Mitgliedschaft im Fitnessstudio für unser Team angefragt. Nach zwei Monaten hatten wir immer noch keine Antwort. Die wenigsten Arbeitgeber im Sicherheitsdienst schalten Stellenanzeigen auf Social Media. Es reicht die Stellenanzeige in der Zeitung und in der Jobbörse der Agentur für Arbeit. Ach ja, wir haben ja auch eine Stellenbörse auf der Firmenwebsite. Schön und gut, wenn die Website nicht für Suchmaschinen optimiert ist, Stichwort SEO (englisch für Search engine optimization, Suchmaschinenoptimierung), dann wird niemand diese Website und die Stellenbörse finden.

Wirft man dann einen Blick auf diese Stellenanzeigen, sieht man verstaubte Texte aus den 80er Jahren. „Wir bieten Ihnen 24 Tage Urlaub.“ Nein, das bietest Du nicht, das ist der gesetzliche Anspruch. „Wir bieten eine pünktliche Lohnzahlung.“ Na, das will ich aber auch hoffen. Ich komme ja auch täglich pünktlich in die Arbeit. Und in den Vorstellungsgesprächen hört man solche Aussagen: „Wir zahlen auch die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“ Selbstverständlichkeiten und gesetzliche Ansprüche werden als Benefits verkauft und es wird kein konkreter Mehrwert angeboten. Von attraktiven Arbeitsbedingungen kann erst recht keine Rede sein.

Personalmangel im Wachgewerbe: Nichts dazugelernt

In den nachfolgenden Zeilen muss ich die Dinge stark subjektiv betrachten und mich ausschließlich auf meine Erfahrung und meine direkten Erlebnisse stützen. Dabei möchte ich nicht verallgemeinern, sondern betone ausdrücklich, dass die nachfolgenden Erfahrungen nur die Bereiche widerspiegeln, in denen ich eingesetzt war. Keineswegs können meine Erfahrungen den Gesamtzustand der Sicherheitsbranche widerspiegeln. Meine Erfahrung der letzten Jahre ist geprägt von hoher Fluktuation in Sicherheitsunternehmen. Dabei habe ich selbst relativ viel gewechselt. Weitere Missstände sind der hohe Krankenstand durch Überarbeitung, bedingt durch zu viele und unregelmäßige Wechselschichten und fehlender Erholung. Die Dienstpläne werden oft kurzfristig geändert und ohne Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitnehmers.

Bevor ich auf diese Themen weiter eingehe, möchte ich euch bitten, sich zunächst einige Bewertungen von Sicherheitsunternehmen bei Google und Kununu anzuschauen. Achtet besonders auf den Bewertungsdurchschnitt. Nachfolgend sind einige Bewertungen verschiedener Sicherheitsunternehmen auf der Plattform Kununu.

Schlechte Kommunikation zwischen Führung und normalen Arbeitnehmer.

Kununu

12 Std.-Schichten ohne Pausen! Musst Du auf Toilette, dann Funk mitnehmen, brauchst Du länger als fünf Min. wirst Du angefunkt, um sofort Deine Arbeit wieder aufzunehmen.

Kununu

Man fühlt sich ständig unter Druck gesetzt und die Einsatzleitung kümmert sich nicht um die Mitarbeiter, man ist eine austauschbare Nummer und wird ausgenutzt.

Kununu

Katastrophal, Standardphrase „Sie erhalten doch mehr als Tarif…“, egal was für ein Anliegen man hat, man wird abgewimmelt oder für blöd verkauft.

Kununu

Mein Lohn ist jeden Monat falsch. Alle Anrufe werden ignoriert.

Kununu

Habe noch nie den Vorgesetzten gesehen, kontrolliert MA ohne sich zu zeigen, Dienstpläne kommen sehr kurzfristig – keine Planung für Familie möglich.

Kununu

Das sind nur ein paar von Tausenden ähnlicher Bewertungen. Natürlich muss man erwähnen, dass im Netz jeder anonym alles schreiben kann und dass es bei Bewertungsportalen immer einen Anteil an Fake-Bewertungen gibt. Daher sollte man die Bewertungen nicht als den absoluten Maßstab nehmen. Genauso kann aber auch nicht alles falsch sein und ein Funken Wahrheit ist immer dabei. Viele Punkte kann ich bestätigen und insbesondere, was die Dienstplanung angeht, habe ich selbst viel zu viele negative Erfahrungen gemacht. Letztes Jahr habe ich es erlebt, dass die Dienstpläne kurz vor dem Urlaub im August willkürlich durcheinander geworfen wurden. Alle freien Tage wurden gestrichen und ich konnte wichtige Termine nicht wahrnehmen.

Auf meine Bitte um Entlastung kam die Generalausrede: „Es ist Urlaubszeit, wir haben kein Personal.“ Dabei sei zu erwähnen, dass der Arbeitgeber das ganze Jahr Zeit hat, die Vertretungen für die Urlaubszeit zu planen. Auf anderen Objekten konnten Mitarbeiter zwölf Stunden lang nicht auf Toilette, weil es keinen Pausenablöser gab. Auch hier kam wieder die bekannte Ausrede: „Urlaubszeit, wir haben keine Leute.“ Verständlich, dass die Kolleg:innen sich bei solchen menschenunwürdigen Zuständen krankmelden. Als ich keinen Ausweg bei diesem Arbeitgeber sah, habe ich schließlich im Sommer 2023 gekündigt.

Personalmangel im Wachgewerbe – Fazit

Der Personalmangel im Wachgewerbe ist seit 2016 deutlich gestiegen und die Situation wird nicht besser. Es wird bis 2030 sogar eine weitere Verschlimmerung geben, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in die Rente gehen. Wenn es bis dahin keine technischen Lösungen und Automatisierungsmaßnahmen für bestimmte Aufgaben gibt, dann sieht es düster aus. Es wird schlicht und einfach niemanden geben, der die Zufahrtskontrollen an Toren und Schranken verrichtet und Objekte verschließt. Ohne allzu pessimistisch wirken zu wollen, wird meiner Meinung nach das Berufsbild der Fachkraft für Schutz und Sicherheit neu definiert werden müssen. Man wird mit ganz neuen Lösungsansätzen arbeiten müssen und die konventionellen Methoden werden aussterben. Eine Automatisierungslösung werden selbstschließende Anlagen sein, die den Verschluss durch den Kontrollgänger überflüssig machen. Streifen- und Kontrollgänge könnten durch Drohnen erledigt werden und die Schlüsselausgabe am Empfang wird höchstwahrscheinlich durch Kemas-Schränke ersetzt werden, die es bereits seit vielen Jahren gibt. Durch den zunehmenden bargeldlosen Zahlungsverkehr wird sich das Tätigkeitsfeld des Geld- und Werttransports gravierend ändern. Willkommen in der Zukunft.

Literaturverzeichnis

Statista Research Department (2024, 29. Februar). Arbeitslosenquote in Deutschland im Jahresdurchschnitt von 2005 bis 2024. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1224/umfrage/arbeitslosenquote-in-deutschland-seit-1995/

The Global Talent Competitiveness Index (2022). The Tectonics of Talent: Is the World Drifting Towards Increased Talent Inequalities? https://www.insead.edu/sites/insead/files/assets/dept/fr/gtci/GTCI-2022-report.pdf

Sladjan Lazic