Die Zeitarbeit wird wie kaum ein anderes Thema gesellschaftlich sehr kontrovers diskutiert. Man spricht von Zeitarbeit, wenn ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber (Verleiher) angestellt ist und einem Dritten (Entleiher) für eine begrenzte Zeit überlassen wird. Der Arbeitnehmer schließt seinen Arbeitsvertrag mit dem Verleiher (Zeitarbeitsunternehmen) ab und wird von diesem entlohnt. Die Arbeitseinsätze finden bei Kunden des Zeitarbeitsunternehmens (Entleihern) statt. In Deutschland ist die Zeitarbeit nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt. Die Erfahrung mit Zeitarbeit hat gezeigt, dass diese einen relativ schnellen Einstieg in ein Arbeitsverhältnis ermöglichen kann. Die Zeitarbeit kann als Brückenbauer dienen, einen Einstieg in die Berufswelt zu finden. Auch ist es durch Zeitarbeit möglich, in einem komplett neuen Arbeitsumfeld neu zu beginnen. Das Ziel kann in der Tat eine lukrative Festanstellung bei einem der Kunden sein.
Doch wie sieht es in der Praxis aus? In diesem Artikel gebe ich meine persönliche Erfahrung mit Zeitarbeit aus zwei Jahrzehnten wider.
Meine Erfahrung mit Zeitarbeit als ungelernte Kraft
Meine erste persönliche Erfahrung mit Zeitarbeit datiert zurück ins Jahr 1999.
Damals habe ich als Ungelernter kurzfristig einen Job gebraucht. Nach ein paar Telefonaten hatte ich schon einen ersten Vorstellungstermin bei einer Zeitarbeitsfirma in der Münchner Innenstadt.
Wichtig zu erwähnen ist, dass ein Vorstellungstermin bei vielen Zeitarbeitsfirmen gleichzeitig auch Einsatzbeginn bedeutet. Es wird quasi von der Empfangstheke aus rekrutiert. Mein Vorstellungstermin als Lagerhelfer war um 6 Uhr morgens.
Pünktlich betrat ich in der Früh den Empfangsbereich der Zeitarbeitsfirma und bekam den Personalbogen ausgehändigt. Als ich diesen ausgefüllt abgab, wartete ich noch ein paar Minuten auf das Gespräch.
Neben mir saß ein älterer Herr und trank Bier aus dem Glas. Einfach so. Um 6 Uhr morgens saß er dort in der Zeitarbeitsfirma und trank Bier. Die Szene wirkte ziemlich bizarr und ich fragte mich, wer das wohl sein wird. Doch bald wurde ich ins Büro gebeten.
Im Büro fand anschließend ein zugegebenermaßen nettes Gespräch mit dem Disponenten statt. Er stellte mir eine Stelle als Lagerhelfer in Aussicht. Ich könnte sofort anfangen und bekäme in den nächsten Tagen den Arbeitsvertrag zugeschickt.
Gesagt, getan. Ich willigte ein und bekam meinen ersten Job. Der erste Job und gleichzeitig meine erste Erfahrung mit Zeitarbeit.
Dann ging der Disponent mit mir in den Wartebereich und sagte:
„Unser Fahrer wird Sie zum Kunden bringen.“
Dabei zeigte er auf den älteren Herrn der dort sein Bier trank. Ich bekam den Schock meines Lebens! 😮
„Was, der soll mich fahren?“
Meine anfänglich nicht negative Stimmung änderte sich schlagartig.
Meine erste Erfahrung mit Zeitarbeit war der Horror. Dennoch, ich protestierte nicht und stieg ins Auto. Mit einer deutlichen Alkoholfahne fuhr er mich in einem Golf II zum Kunden. Beim näheren Anblick des Mannes, sah ich an seinem Gesicht das Gesicht eines Alkoholikers.
Ich konnte das alles nicht wirklich glauben.
Statt Lagertätigkeit – Kühlhaus schrubben
Der Kunde bei dem ich im Lager arbeiten sollte, war ein Möbelhaus in der Nähe von München.
Der alkoholisierte Golf-Fahrer brachte mich dort in die Küche und stellte mich der Chefin vor. Diese erklärte mir dann meine Aufgaben in der Küche.
Als Erstes würde ich Küchenkleidung bekommen und mit dem Schrubben der Kühlhäuser anfangen. Küche? Kühlhäuser? Ich wies freundlich darauf hin, dass mir der Disponent bei der Zeitarbeitsfirma explizit eine Lagertätigkeit zugesichert hat.
Ich wandte mich an den Fahrer, aber dieser murmelte irgendwas vor sich hin und verabschiedete sich prompt. Also beschloss ich, da zu bleiben und die Arbeit durchzuziehen. Nachdem ich eingekleidet wurde, ging es in das erste Kühlhaus.
Ein Koch erklärte mir die Aufgaben. Ich sollte die Kühlhäuser gründlich schrubben und gab mir einen Eimer und eine Bürste. Dabei sollte auch der Boden geschrubbt werden. Wenn ich dann fertig bin, sollte ich mich bei ihm melden.
Also legte ich los. Ich fing mit dem Boden an. Da ich nur eine kleine Bürste ohne eine Stange hatte, musste ich mich hinknien um den Boden zu schrubben. Ich begriff, in was für eine aussichtslose Lage ich mich hinein katapultiert hatte.
Wie soll es weiter gehen?
Werde ich hier die nächsten Wochen und Monate auf den Knien die Küche schrubben? Wie konnte ich mich von der Zeitarbeitsfirma so hereinlegen lassen? Tausende von Gedanken gingen mir durch den Kopf.
Ich suchte gedanklich nach Lösungen, um diese bittere Erfahrung mit Zeitarbeit zu beenden. Nach etwas mehr als einer Stunde ging ich in die Umkleideräume, legte die Küchenkleidung ab und flüchtete aus dieser Küche und von diesem Arbeitgeber.
„Tag der offenen Tür“ in der Zeitarbeitsfirma
Die Jahre vergingen und ich begann meine Karriere im Sicherheitsdienst.
Über zehn Jahre hatte ich keine Berührungspunkte und keine eigene Erfahrung mit Zeitarbeit. Viel habe ich durch Dritte in den Jahren mitbekommen.
Im Jahr 2014 habe ich mich intensiv nach einer neuen beruflichen Perspektive bemüht. Meine Vorstellung war eine kaufmännische Tätigkeit mit dem Schwerpunkt IT.
Also bereitete ich sorgfältig eine Bewerbung vor, kleidete mich adrett und marschierte direkt in ein großes deutsches Zeitarbeitsunternehmen in der Innenstadt von München.
Meine Erfahrung mit Zeitarbeit aus der Vergangenheit schien in diesem Moment sehr weit zurückzuliegen. Vielleicht haben sich die Dinge geändert, unvoreingenommen ging ich an die Sache heran.
In der Niederlassung des Zeitarbeitsunternehmens stand an der Tür: „Tag der offenen Tür!“ Was für ein Timing, dachte ich mir, so viel Glück kann man gar nicht haben. Tag der offenen Tür bedeutet für mich, dass man sich gründlich über die Jobperspektiven informieren kann.
Seltsamerweise war aber kein einziger Bewerber oder Interessent anzutreffen. Die Räumlichkeiten waren leer. Der Empfang war besetzt und ich schilderte der Empfangsdame mein Anliegen. Sie bot mir an, Platz zu nehmen, gleich würde sich jemand um mich kümmern.
Nach ein paar Minuten kam auch die Chefin, nennen wir sie mal so. Eine Karrierefrau durch und durch, mit viel Power, Durchsetzungsvermögen und wenig Führungskompetenzen.
Nachdem ich meine Jobambitionen vorgebracht hatte, sagte sie recht autokratisch:
„So, sie haben genau fünf Minuten, um Ihr Bewerberprofil zu beschreiben, ich habe noch viel zu tun.“
Aha OK, nur fünf Minuten, ich dachte, heute wäre der Tag der offenen Tür. Wie viel Zeit hat man wohl, wenn kein Tag der offenen Tür ist? 😮
Nach den fünf Minuten nahm sie meine Bewerbungsunterlagen und versprach mir, man würde sich bei mir melden.
Auf diese Meldung warte ich bis heute. Eine erneute negative Erfahrung mit Zeitarbeit.
Keine Disponentenstelle unter dieser Nummer
Bis sich 2017 – nach rund 17 Jahren – eine Jobgelegenheit bei einer Zeitarbeitsfirma ergab. Die zu besetzende Stelle war eine interne Stelle als Personaldisponent. Durch den Berufsabschluss zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit hatte ich eine kaufmännische Ausbildung.
Diesmal war ich kein ungelernter Helfer und erfüllte die ausgeschriebenen Anforderungen für die Disponentenstelle. Einige Tage nach meiner Bewerbung, erhielt ich per E-Mail die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch.
Es schien gut zu laufen. Die Personalverantwortliche eröffnete das Bewerbungsgespräch:
„Herr Lazic, wir haben die Disponentenstelle bereits vergeben. Alternativ bieten wir Ihnen einen Securityjob am Flughafen an.“
Baff.
Ich fühlte mich so, als hätte ich mich in den Flieger nach Kanada gesetzt und wäre in Thailand gelandet. Sicherheitshalber hatte ich mich danach erkundigt, ob da nicht vielleicht doch ein Missverständnis vorlag.
Aber nein, da war sich die Personalerin absolut sicher. Ich fragte, ob man das mit jedem Bewerber so macht, doch da wurde die Dame unfreundlich. Ich stand auf und ging einfach.
Eine erneute negative Erfahrung mit Zeitarbeit nach vielen Jahren machte mich erkenntnisreicher.
Erfahrung mit Zeitarbeit – Fazit
Meine Erfahrung mit Zeitarbeit ist meine persönliche subjektive Geschichte. Jede Geschichte ist eine subjektive Geschichte. Eine Tätigkeit in der Zeitarbeit muss nach objektiver Betrachtung nicht zwangsläufig schlecht sein.
Doch nach meiner persönlichen Erfahrung und Erfahrung vieler Menschen die ich kenne, habe ich kein positives Bild von dieser Beschäftigungsform. Für mich sind Beschäftigungsverhältnisse in der Zeitarbeit überwiegend prekäre Beschäftigungsverhältnisse.
Dass es durchaus Menschen gibt, die gerade durch die Zeitarbeit eine gute Anstellung bei einem guten Arbeitgeber gefunden haben, das wird zweifelsohne so sein. Auch wurde in den letzten Jahren viel durch den Gesetzgeber getan, um die Arbeitsbedingungen in der Zeitarbeit zu verbessern.
Daran ist jedoch erkennbar, dass es viel zu verbessern gab und immer noch gibt.
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Danke für die guten Informationen zur Personalbereitstellung. Die letzten Jahren waren wirtschaftlich vom Aufschwung geprägt. Bevor der Schweinezyklus für einen Abschwung sorgt sollte man die Zeitarbeit als Sprungbrett einsetzen, dadurch hat man die Möglichkeit in viele Firmen hinein zu gelangen, die einem ansonsten eher nicht so sehr die Tür aufhalten.
Gut zu wissen, dass man Zeitarbeit als Einstieg in die Arbeitswelt ansehen kann. Ich habe gerade erst die Uni verlassen und bin jetzt auf der Suche einem Job. Ich denke ich werde es mal bei einer Zeitarbeitsfirma versuchen.